Tantrische Praxis
Die Wurzeln der Tantra-Philosophie liegen im goldenen Zeitalter, als die Weisen des Ostens noch direkte Übermittlungen göttlicher Kraft und Weisheit erfuhren. Tantrische Texte, die den Ursprung des Yoga innerhalb ihrer eigenen Wissenschaft belegen, reichen mehr als 6.000 Jahre zurück. Der erste Repräsentant des Yoga war der Philosoph Kapila – seine Axiome beeinflussten später z. B. den historischen Buddha ebenso wie den Nāga-Meister Patāñjali.
„Das gesamte tantrische System kann als Ursprungsort, als das Zuhause aller yogischen Wissenschaften betrachtet werden.“
Paramahaṃsa Satyānanda Sarasvati
Die tantrische Philosophie ist die Wissenschaft der vollkommenen Hingabe. Yoga ist von seinem Ursprung her ein Zweig des Tantra. Im Triśūla-Yoga existieren daher keine Einschränkungen, wie sie aus dem Haṭha-Yoga und anderen Yoga-Disziplinen bekannt sind. Der tantrische Yoga ist ein Weg, um das Bewusstsein auszudehnen und es ins So-Sein zu befreien.
In der tantrischen Praxis des Triśūla-Yoga gibt es 84 basale Körperhaltungen, die unsere 840.000 Inkarnationen repräsentieren. Im Allgemeinen werden sie als āsanas bezeichnet; ihr ursprünglicher Name ist karaṇas. Diese 84 āsanas/karaṇas haben unterschiedliche Wirkungen auf unser Bewusstsein. Sie sind nicht als Übungen der Körperertüchtigung oder Atemkontrolle zu verstehen, sondern ermöglichen große Veränderungen auf allen Ebenen unseres Lebens – körperlich, seelisch, geistig, spirituell und kosmisch. Sie öffnen drei sogen. Knoten in unserem Energiesystem, die uns davon abhalten, in unserer existenziellen Entwicklung voranzuschreiten. Sie sind bekannt als Brahma granthi, Viṣṇu granthi und Rudra granthi. Darüber hinaus öffnen sie die cakras nicht nur auf der Energieebene, sondern für ihr essenzielles Sein. Laut der tantra śāstras sind Yoga-Übungen in erster Linie dazu gedacht, die diversen Nerven so vorzubereiten, dass sie im Moment des Erwachens empfangsbereit sind.
Die tantrischen Übungen des Triśūla-Yoga sind darauf ausgerichtet, die ruhenden Kräfte des Lebens und des Bewusstseins stufenweise zu erwecken und sie dann durch Formen der Entspannung (wie z. B. Tattva-Yoga-Nidrā) zu festigen und in den Tiefen des Inneren Wesens zu verwurzeln. Sie führen in innere Stille und zur Klarheit des wahrens Wesens. Darüber hinaus fungiert die Triśūla-Yoga-sādhana auch als Weg zur Heilung (cikitsā).
Der Triśūla-Yoga hat zur Zeit drei Zweige; diese sind der Tattva Yoga, der Mokṣa Kuṇḍalinī Yoga und der Triśūla-Spanda-Yoga.
Ganz konkret arbeitet der Triśūla-Yoga mit den folgenden Elementen:
Asanas – KörperBewusstsein: Für die integrative Erfahrung unserer Verkörperung (eigentlich: karaṇa = Haltung). Karaṇas/āsanas sind Haltungen des erkennenden Gewahrseins. Mit ihnen öffnet sich die Poesie der Gegenwärtigkeit. Im mokṣa-kuṇḍalinī-yoga sowie im Spanda-Yoga sind sie einfach und fließend; sie dienen dem Energiefluss und der Verbindung von Körper und Geist sowie der Regeneration des Bindegewebes und der Meisterung des Energiesystems.
Nadī – NervenBewusstsein: Das feinstoffliche Nervensystem bildet die subtile Matrix unseres Lebens. In den nadīs pulsieren prāṇa und kuṇḍalinī, die mittleren Nerven werden als Himmelsleitern bezeichnet. Sind sie gereinigt, führen sie schnell zu samādhī.
Prāṇa und Kuṇḍalinī – EnergieBewusstsein: Um das Unbewusste zu betreten und das energetische Bewusstsein zu wecken. Der mokṣa-kuṇḍalinī-yoga öffnet die Pforte zum höchsten Wissen und ist ein ganz eigenes Übungssystem. Der Spanda-Yoga lehrt, wie wir mit unserem Wesen durch Energie kommunizieren. Während die Energie-Zirkulation im Körper stimuliert wird, wird gleichzeitig unsere eingeborene natürliche Heilkraft aktiviert.
Svara – GeistBewusstsein: Für den Anschluss des persönlichen Geistes an den kosmischen Geist; dies geschieht über das prāṇa und den Klang des Atems (svara). Für die Vervollkommnung des Atembewusstseins und die Stillung des Geistes.
Bandha – SteuerBewusstsein: Die sogen. Verschlüsse nehmen subtil und tiefgreifend Einfluss auf den Prozess der Selbstverwirklichung. Durch ihre Ausführung wird die Beherrschung des Lebensflusses gelernt – dies geht sehr schnell bis in die Erfahrung von Nahtodeszuständen.
Svarodaya – AtemBewusstsein: Dies ist neben bandha und prāṇa der wichtigste Punkt im mokṣa-kuṇḍalinī-yoga, denn hier geht es um die Speicherung der Lebenskraft und die Geheimnisse der inneren und äußeren menschlichen Natur. Im Spanda-Yoga spielt die samudrā-Atmung eine große Rolle, bei der prāṇa gesteuert wird. Svarodaya führt zur Verwirklichung des Śiva-tattvas.
Spanda – PulsBewusstsein: Vor allem im Spanda-Yoga erfahren wir die natürliche Heilkraft des kreativen Impulses (spanda), der sich organisch fließend ausdrückt und alles durchdringt. In Übungen und Meditationen richten wir die Aufmerksamkeit auf die Schwingungsenergie, die in jedem Augenblick die unendlichen Möglichkeiten hat, alles im Universum zu erschaffen oder aufzulösen – indem sie sich ausdehnt oder zusammenzieht. In der Spanda-Yoga-Praxis erfahren wir sie als sanfte oder kräftige Vibration im ganzen Körper-Energie-System.
Nāda und mantra – KlangBewusstsein: Hierbei wird das ganze Gehirn stimuliert, die Subtilkörper werden von Spannungen befreit, ihre Frequenz wird erhöht. Nāda-Yoga ist die Lehre von den Klangschwingungen; in ihr finden wir die Sprache der Seele. Durch die besondere Anwendung von mantras im mokṣa-kuṇḍalinī-yoga wird der Geist zentriert und der Energiefluss gelenkt.
Dhyāna und yantra – SeelenBewusstsein: Zur Reinigung des Bewusstseins, zur Heilung auf dem Energieweg, zur Entwicklung eines verfeinerten Bewusstseins. Im mokṣa-kuṇḍalinī-yoga und im Spanda-Yoga führen führen dynamische Meditationsprozesse in innere Stille, so dass in fortgeschrittenen Phasen tiefes samādhī erlebt werden kann.
Mudrā – GottesBewusstsein: Mudrās sind yogische Siegel zur Reinigung des Bewusstseins, zur Heilung auf dem Energieweg, zur Verfeinerung der Wahrnehmung, zur Steigerung energetischer Prozesse und zur Hingabe an göttliche Bewusstseinszustände.
Marma – VitalitätsBewusstsein: Marmas gelten als Teil der heiligen Psychophysiologie, die subtile Ströme und Kraftzentren der Heilung zugänglich machen. Die Energiepunkte dienen im Tattva-Yoga zur Unterstützung des Körpers, um sich an die Form der Haltungen zu erinnern. Im mokṣa-kuṇḍalinī-yoga dienen sie der reibungslosen Versorgung des ganzen Systems mit prāṇa. Im Spanda-Yoga sind es wichtige Orientierungs- und Steuerpunkte für den Fluss der Energien. Es werden außerdem Trainings in (āyurvedischer) Marma-Massage angeboten.
Sūtra – SinnBewusstsein: Selbsterkenntnis als Verbindung von innerer Erfahrung und geleiteter Wissenschaft.
Nidrā – Transformation: Der Schlaf der Yogis, der den ganzen grob- und feinstofflichen Körper sowie die Gefühle und Gedanken regeneriert. Er erweckt degenerierte Hirnzentren und hilft uns, unseren Schlaf zum samādhi umzulenken.
Cikitsā – YogaCoaching: Hier wird die heilende Kraft des Triśūla-Yoga mittels spezieller Übungen für das harmonische Fließen der Lebenskraft eingesetzt.